„Man müsste Klavier spielen können …“, sang Johannes Heesters einmal. Ja, Pianisten haben nicht nur Glück bei den Frauen, sondern begeistern viele Menschen. Mich auch. Und deshalb habe ich mich sehr auf das Novemberkonzert der Neubrandenburger Philharmonie im Güstrower Theater gefreut. „Maurice Ravel – Klavierkonzert für die linke Hand“
stand in der Ankündigung. Das hat mich neugierig gemacht. Wird es ein Genuss sein, wenn nur mit der linken Hand gespielt wird? Zumal die Linke auch für große Pianisten ein Sorgenkind sein soll. Interessiert hat mich auch, warum Ravel ein Stück geschrieben hat, in dem man die rechte Hand links liegen lässt?
Bei meinem Handwerk, dem Schreiben, bekomme ich überhaupt nichts mit links hin. Ich war also mächtig gespannt auf diesen Konzertbesuch. Die Pianistin, Marianna Shirinyan, ist eine der gefragtesten Pianistinnen auf den internationalen Konzertpodien. Die schöne Armenierin hat mich mit ihrem Spiel tief beeindruckt. Wie dankbar bin ich Ravel für die Musik und der Pianistin für die Umsetzung. Es war ein Genuss. Ich hatte das Gefühl, dass beim Klavierspiel zwei Hände von Marianna Shirinyan im gekonnten Einsatz sind. Aber es war wirklich nur ihre Linke. Wahnsinn! Aber danken muss ich auch Paul Wittgenstein. Dieser Mann hat nämlich 1929 Ravel den Auftrag erteilt, ihm ein Klavierkonzert für die linke Hand zu schreiben. Wittgenstein war ebenfalls ein exzellenter Pianist. Nachdem er jedoch als Soldat im 1. Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hatte, wollte er das Klavierspielen nicht aufgeben. Er war musikbesessen und zum Glück auch vermögend. So konnte er bei prominenten Komponisten Klavierwerke für die linke Hand in Auftrag geben. Aber meine Begeisterung für Wittgenstein hält sich in Grenzen. Er hat nämlich in Ravels Partitur Eingriffe vorgenommen. Ich kann gut verstehen, dass Ravel darüber mehr als erbost war. Es hat mich auch stets sehr zornig gemacht, wenn meinen Texten so etwas passierte.
„Der Zorn ist ein kurzer Wahnsinn“, schreibt Horaz. Und in solchen Momenten sehe ich nicht nur schlimm, sondern auch so alt aus wie Johannes Heesters, als er mit seinen 108 Jahren Petrus spielte.
November 2019