Im November braucht mein Kopf eine warme Mütze und meine Stiefel Einlegesohlen aus Lammfell. Ich brauche eine Jacke, die bis über die Hüfte geht und Taschen hat, in die man die Hände stecken kann. Abends auf dem Sofa brauche ich eine XXL Kuscheldecke und mindestens so viele Kerzen auf dem Couchtisch wie die Anzahl der Geschwister der Kelly Familie, die jetzt bei ihren Comeback-Konzerten auf der Bühne stehen.
Was ich im November außerdem noch brauche, weiß die Frau, die zu den Marktagen mit ihrem Geflügelstand vor dem Güstrower Rathaus steht, ganz genau. Es bedarf schon lange keiner Worte mehr. Wenn ich an der Reihe bin, trennt sie mit ihrem scharfen Messer einem Suppenhuhn einen Schenkel ab, damit ich mir ein Süppchen kochen kann. Im November brauche ich ständig eine Suppe. Damit keine Langeweile auf dem Speiseplan entsteht, kommen nicht nur Hühnerschenkel mit Möhren, Sellerie und Porree in den Topf, sondern auch Wirsing, Steckrüben und Kürbis.
Aber im November rühre ich nicht nur in Kochtöpfen, sondern auch in der Badewanne. Zum warmen Wasser kommen zuerst Kokos- und Lavendelöl, dann Meersalz und danach ich hinein.
Und für meine Gehörgänge gibt es Yoga. Ich höre im November Balladen von Santa-Sofia Delliponti, die sich Oonagh nennt. Ihr keltischer Gesang entspannt mich ungemein.
Ich unternehme einiges, damit mich die Düsternis und Kälte dieses Monats nicht umhauen. Da muss ich jedes Jahr auf’s Neue immer wieder durch. Ich wünsche mir den Monat jedoch nicht anders, denn eine Bauernregel lautet: „November warm und klar, wenig Segen für’s nächste Jahr.“
Jedoch finde ich es unnötig, den November noch gruseliger zu machen, so wie Bastian Melnyk es in meinen Augen getan hat. Er ist nämlich der Erfinder zahlreicher Feiertage und hat den 12. November zum „Tag der schlechten Wortspiele“ erklärt. Zeitungen und Radiostationen berichteten eifrig darüber. Und so kamen mir all die fürchterlichen Wortspiele, wie zum Bleistift, Hallöchen Popöchen oder Tschüssikowski wieder zu Ohren. 2015 hat die Journalistin Carolin Gasteiger zu diesem Gedenktag in der Süddeutschen Zeitung geschrieben:
„Gegen schlechte Wortspiele hab‘ ich nichts. Zu mindestens nichts, was hilft. Und das, was hilft, entzieht sich meiner Chemnitz. Eine echte Zumäutung.“
Gegen die Verbreitung schlechter Wortspiele weiß auch ich kein Mittel. Aber zum Glück bin ich schon lange nicht mehr hilflos, wenn der November seinen Blues anstimmt.
November 2017