Frau Elvira Hase war es schon lange ein Dorn im Auge, dass ihr Mann seinen Job als Osterhase nicht an den Nagel hängte. Wenn die anderen Häsinnen ihren Frühjahrsputz zum Osterfest machten, begann für sie eine Schweinerei, die ihresgleichen suchte. Noch Wochen nach dem Fest scheuerte sie Farbflecken von den Fußböden und Schränken.
Elvira schrubbte sich die Pfoten wund an den Töpfen und Pfannen, die ihr Mann zum Anrühren der Farben benutzte. Viele Stunden brauchte er, um die bemalten Eier zu verstecken. Erst am späten Ostersonntagmorgen kehrte Gustav mit leerer Kiepe von der Nachtschicht heim. „Einmal im Jahr so richtig arbeiten, ist was Feines“, sagte er, fiel auf die Couch und schnarchte bis zum Ostermontagabend.
Die anderen Hasen waren zum Osterfest mit ihren Häsinnen Arm in Arm durch den Wald spaziert. Elvira ließ sich draußen erst gar nicht blicken. Sie hatte keine Lust allein durch den Wald hüpfen.
In diesem Jahr ist meiner kein Osterhase mehr, schwor sich Elvira.
Von nun an wollte sie nur noch mit einem ganz normalen Hasen verheiratet sein. Mit Gustav darüber zu reden, erschien ihr ausweglos. Aber vielleicht könnte es ihr gelingen, seine Zulieferer zu einem Streik zu bewegen, dann wäre ihr Problem gelöst.
Kurz vor dem Fest machte sie sich deshalb zu den Hühnern auf den Weg, die für Gustav arbeiteten. Elvira klopfte an die Luke des Hühnerstalls, steckte ihren Kopf hindurch und sagte: „Könnten sie vielleicht in den nächsten Tagen das Legen lassen.“ „Wie bitte“, sagte das erste Huhn. „Die spinnt“, meinte das zweite und das dritte zeigte ihr einen Vogel. Dann ging das Gegacker erst richtig los: „Was denken Sie denn? Was raus muß, muß raus. Sollen wir vielleicht platzen?“
Bevor die Hühner zu Geiern wurden, machte sich Elvira aus dem Staub. Es blieb ihr nichts anderes übrig, sie musste Gustav die Pistole auf die Brust setzen. reden. „Wenn du weiter Osterhase sein willst, lasse ich mich scheiden“, sagte sie und ließ sich auf keine weitere Diskussion ein. en hopste Gustav starrte seine Frau entsetzt an. „Ich will keine Scheidung“, antwortete er.
Mit leuchtenden Augen drückte Elvira ihren Mann an ihre Brust. „Ich wusste, dass du dich für mich entscheidest“, jubelte sie. Um die Kinder sollte er sich keine Gedanken machen. Seine Entscheidung würde Elvira ihnen schon mitteilen.
Gleich am nächsten Morgen schrieb sie auf über hundert Zetteln „Es gibt keinen Osterhasen mehr.“ Zwei Tage vor dem Fest hatte Elvira alle Blätter im Revier ihres Mannes verteilt. „Ach, wie freue ich mich auf unseren Waldspaziergang. Das wird ein richtig schönes, ruhiges Fest“, trällerte sie und schwenkte ihr Schwänzchen. Doch, was war das plötzlich für ein Geräusch aus der Ferne? Die Häsin hielt sich die Ohren zu. Aber das Geräusch wurde immer stärker. „Was ist das?“, fragte Elvira ängstlich. „Das sind die Kinder“, antwortete Gustav, „sie weinen, weil es keinen Osterhasen mehr gibt.“
Am Abend war das Geräusch noch immer zu hören. Gustav ließ die Ohren hängen. Gegen Mitternacht berührten sie seine Schultern. „Nun reiß dich zusammen“, schimpfte seine Frau, „du siehst ja schon wie ein Dackel aus.“ Doch gegen Morgen hatte Elvira auch keine Nerven mehr. „Wie lange können Kinder weinen“, fragte sie ihren Mann. „Ewig“, antwortete Gustav.
Da gab sich Elvira einen Ruck. Sie riß ihren Mann aus dem Bett, hängte ihm und sich eine Kiepe um und rannte mit ihm zum Hühnerstall. Die Hühner saßen schon wie auf Kohlen, denn sie waren in all den Jahren an Pünktlichkeit gewöhnt. Dass ihr Chef seine Frau dabei hatte, verschlug ihnen die Sprache. Und überhaupt wirkte er so verändert. Richtig fremd kam er ihnen mit den hängenden Ohren vor. Während die Hühner ihm die Kiepen voll packten, flüsterten sie ihm zu: „Wenn ihre Frau sie nervt, dann können sie auch bei uns unterkommen.“ Mit Adleraugen blickten die Hühner den beiden nach.
Zu Hause traute Gustav seinen Augen nicht. Elvira rührte in Tassen, Töpfen und Pfannen die Farbe an. „Damit endlich das Geheule aufhört“, sagte sie und pinselte und kleckste. Je eifriger Elvira war, umso mehr richteten sich Gustavs Ohren auf. Als sie gemeinsam die Eier versteckten, sah ihr Mann keinem Dackel mehr ähnlich.
Gustav staunte nicht schlecht, welche Verstecke seine Frau wählte. Er war noch nie auf die Idee gekommen, nachts in die Häuser der Menschen zu schleichen. Doch Elvira fand es langweilig, die Eier immer nur in die Gärten zu legen. Sie versteckte sie in Hausschuhen, Zahnputzbechern und Hosentaschen. Sogar in eine über den Stuhl hängende Strumpfhose warf sie ein Ei. Gustav wurde übermütig und legte ein Ei in eine Waschmaschine.
Erst am späten Ostersonntagmorgen kehrten die beiden von ihrer Nachtschicht heim. Elvira und Gustav drückten ihre feuchten, glänzenden Nasen aneinander und umarmten sich. Dann fielen sie todmüde in ihr Ehebett und schnarchten gemeinsam bis zum Ostermontagmorgen.
März 2018