Es passieren Dinge, die mich jedes Jahr aufs Neue nicht nur verwundern, sondern regelrecht umhauen. Nein, ich übertreibe nicht. Es ist wirklich so.
Es haut mich immer wieder um, wie der Flieder den Frühling parfümiert. Da wünsche ich mir ein Lügner zu sein mit einer Nase wie Burattino, um sie in alle Fliederbüsche zu stecken. So wie dieser Geruch haut mich auch nach monatelanger Abstinenz der Geschmack des in brauner Butter gebadeten ersten einheimischen Spargels um.
Und jedes Mal denke ich bei meinem Besuch im Rostocker Block House – noch nie war Ms. Rumpsteak so zart und der Salat so knackig wie heute. Es scheint anderen ähnlich zu gehen. Wie sollte man es sich sonst erklären, dass es im Steakhaus am Samstagabend stets auch ein Relikt aus DDR-Zeiten gibt – die Warteschlange.
Ob man es mir glaubt oder nicht, mich haut auch jedes Jahr die Pünktlichkeit der sprießenden Sprossen an den Bäumen und Sträuchern um. Selbst, wenn der Winter noch so lang und hart war, gibt es keine Verzögerung. Auf das Grün ist im Gegensatz zur deutschen Bahn stets Verlass. Und das wird immer so sein.
Ich weiß nicht, wie viele Jahre ich schon jeden Monat eins von Erich Kästners Monatsgedichten lese. In seinem Märzgedicht schreibt er:
„Schneeglöckchen ahnen nun,
was sie bedeuten.
Wenn du die Augen schließt,
hörst du sie läuten.“
Dank Kästner kann ich den Frühling nicht nur riechen, sondern auch hören. Und auch das haut mich jedes Jahr aufs Neue um.
Aber was ist mit der Deutschen Tanzkompanie aus Neustrelitz? Ich habe dieses Tourneetheater mehrmals erlebt. Und jedes Mal stellte sich wieder ein überwältigendes Gefühl ein. Welch eine Akkuratesse von den Finger- bis in die Zehenspitzen, welch eine faszinierende Choreographie und welch eine gelungene Mischung aus klassischem und modernem Tanz. Wie hart haben die schönen jungen Menschen schuften müssen bis sie diese Leichtigkeit erreichen konnten?
Ihr Tanz haut mich immer wieder neu um, aber macht mir auch das Herz schwer. Denn im Gegensatz zum Frühjahrsgrün ist die Existenz der Tanzkompanie gefährdet.
März 2017