Was tischen uns manchmal Journalisten auf. Im letzten Jahr hieß es, dass die Kanzlerin bei den Bayreuther Festspielen zusammengebrochen ist. Wenig später stellte sich heraus, es war nicht Frau Merkel, sondern der Stuhl auf dem sie gesessen hatte.
Welch eine Übertreibung, dachte ich, als ich am 5. Mai 2015 von einem Tornado in Bützow hörte. Es erschien mir logisch, dass Journalisten, die jede noch so kleine Feier als Event bezeichnen, irgendwann auch einmal auf die Idee kommen, einen kräftigen Sturm Tornado zu nennen.
Doch als ich die Bilder im Fernsehen sah, war ich sprachlos. In Bützow, nur zwanzig Kilometer von meinen Wohnort entfernt, hatte tatsächlich ein Tornado gewütet. Die kleine Stadt mitten in Mecklenburg wirkte völlig zerstört. 30 Menschen wurden verletzt und, wie sich später herausstellte entstanden Schäden im zweistelligen Millionenbereich. Ein Freund aus Bützow, den ich einen Tag nach der Katastrophe anrief, erzählte mir, dass sich seine Katzen kurz vor dem Tornado völlig unnormal verhalten hätten und dann plötzlich eine Stille herrschte, wie er sie noch nie erlebt hat. Auch sein Haus wurde beschädigt. 16 andere Häuser aus Bützow wurden völlig vernichtet. Am Tag nach dem Tornado kamen viele Schaulustige. Aber es kamen auch etliche Menschen von sonst woher, die nicht nur das Handy dabei hatten, sondern auch Spaten und Besen im Kofferraum.
Als wahre Berichterstattung erwies sich leider auch, dass sich in Bützow Männer als Dachdecker ausgewiesen hatten, Vorschuss kassierten und auf Nimmerwiedersehen verschwanden.
Ein halbes Jahr nach der Katastrophe machte ich in einem Café halt. „Wie schön schon alles hier wieder geworden ist“, sagte ich einer älteren Dame an meinem Tisch. „Ja, antwortete sie, „Bützow ist bald wieder die totalste schönste Stadt im Norden.“
Natürlich habe ich die Frau nicht belehrt, dass man „total“ ebenso wenig wie das Wort „schwanger“ steigern kann. Wenn
Stolz und Glück sich paaren, sollte man alle Fünfe gerade sein lassen. Das habe ich zu Hause gelernt. Mein Vater behauptete jedes Jahr, der Tannenbaum wäre noch grüner als der vom Vorjahr. Niemand widersprach ihm, und das sollte man auch nicht tun, wenn Mütter behaupten, sie hätten das schönste Baby der Welt.
Februar 2016