Schwerin, 26.10.2004
Liebe Ditti,
Dafür habe ich dein Buch schon aus-gelesen. Ich finde es gelungen, auch im Äußeren … Die Fotos – bisschen verspielt, bisschen manieriert – passen gut. – Habe beim wiederholten Lesen nun endlich „Italien“ begriffen: Hatte „Loch“ nie mit der Wohnung gleichgesetzt. Das mich – situationsbedingt – VIELEN DANK am meisten erheitert hat, wirst du verstehen. Als ich am Tag danach stöhnte: „Was mache ich nur mit den vielen Blumen!“, schrien beide Töchter: „Schenk sie mir!“ … Im Buch fand ich die Titelgeschichte, Wir sind uns nah, Anna und – immer wieder: Eiliger Vater am stärksten. Das Buch wird „gut laufen“, glaube mir.
Jutta S.
Rühn, 27.10.2004
Liebe Frau Clemens,
Heute hatte ich Gelegenheit, mit Herrn Hildebrand über das Buch zu sprechen. Wir sind uns einig, es ist unterhaltend und erheiternd. Die Texte scheinen wie mit Leichtigkeit aus der Feder geflossen, sodass das Lesen Spaß macht. Ich wünschte, ich hätte diese Gabe. … Herr Hildebrand favorisiert übrigens „Eiliger Vater“.
Monika P.
21.10.2004
Liebe Ditti Clemens!
Zu ihrem neuen „erotischen“ Buch meinen herzlichen Glückwunsch! – Aus familiären Gründen kann ich morgen Abend leider nicht Ihrer Buchvorstellung beiwohnen. Ich zweifle nicht, dass zahlreiche Interessenten da sein werden, und wünsche Ihnen Freude und Erfolg zu ihrem jüngsten literarischen Beitrag.
Horts P.
Auszug aus dem Gutachten eines Germanisten zum Manuskript
Halle (Saale), 05.06.2003
Bei genauerem Hinsehen, also beim Lesen, entpuppen sich aber die Geschichten als elfVariationen … über etwas unerwartet in den Alltag Einbrechendes, das in allen möglichen sichtbaren oder maskierten Formen die bewährte Norm, das soziale Klischee, die gewohnte Mentalität usw. umgeht oder durchbricht. Ein Überraschungseffekt, ein coup de foudre: der Erzähler, die Erzählerin (auktorial oder personal oder in der Ich-Form – die Autorin findet immer die dem Stoff und ihrer Erzählstrategie adäquate Erzählweise) gelangt zu Schlüssen, die den schrittweise problematisierten Inhalt zu einer heiter-nachdenklichen „Moral“ hin auflösen. Ein Satz, mitunter auch nur ein Nebensatz gibt dem besonderen Fall paradigmatisches Gewicht. Nicht aufklärerisch-didaktisch, nicht über den Dingen stehend, nicht besser-wisserisch, sondern mit Humor und einem leichten Beigeschmack von Melancholie, quasi wie beiläufig und unspektakulär folgerichtig.
Es sind Geschichte von Leuten und über Leute, die nicht aus der Highsociety stammen, die keine Honoratioren sind oder sonst jemand, der für die Boulevardpresse von gesteigertem Interesse sein könnte. Es sind die Verwandten und Nachbarn, Freunde und Bekannte von nebenan, der Erzähler und die Erzählerin kennen sie. sie sind ihnen vertraut. ihr in-der-Weltsein ist von vergleichbarem Anspruch – der Eindruck, die Autorin CD kenne sich in Topographie und Milieu ihrer Geschichten allzu gut aus, scheint nicht zu trügen. Auch der etwas sperrig-hintergesichtige Humor mancher Figuren entstammt ihrer Herkunftslandschaft (Rügen, Rostock, Güstrow – eben Mecklenburg-Vorpommern). Das ist von Vorteil, die Geschichten – das, was da von jemandem erzählt wird – wirken sehr authentisch. Der Erzählergestus, die Sprache, die Idiomatik, die metaphorisch nicht überfrachteten Bilder bedingen ein heiter geknüpftes Gewebe, in dem sich ein Leser, der das gute und nicht allzu vordergründig kluge Feuilleton zu schätzen weiß, gern verstricken mag.
Elvis auf Rügen
Die Erzählerin (ein ungeborenes Mädchen, das sich en passant schon auf der Welt sieht, im Schulgörenalter), der Ort, von dem aus erzählt wird (der Mutterleib) und die Erzählsituation sind ungewöhnlich und originell. Der „rote Faden“ wird schon im ersten kurzen Absatz wie ein Netz ausgeworfen, der Erzählgestus, eine Art Erich-Kästner-sound, wird verbindlich angeschlagen. Da kommentiert jemand frisch und liebevoll-respektlos Auskünfte, die von Außen nach Innen, in die erste „gut temperierte und sehr feuchte“ Wohnung dringen, da wird sozusagen ein Nährboden gedüngt.
Daumen zeigen
Die Situation ist bekannt: ein ältliches Mädchen, ein Fräulein mit der Tendenz. wunderlich zu werden – und ein Haustier (Pudel und andere Kleinköter sind die eigentlichen Favoriten. Sie sind aber dämlich. Katzen sind das nicht). Man sagt diesen Verhältnissen allerhand nach, und diese Geschichte hat’s ja auch – tendenziell – in sich. Noch will er nur ein Bier, dieser Kater, der sich plötzlich zum Macho „vermenschlicht“. …
Es gibt eine tolle Geschichte von Max Herrmann-Neiße, 1935 im Londoner Exil entstanden, „Schmitts Katze“… Und die hier ist auch gut.
Die Frau im Schrank
Es gibt solche neugierigen Frauen: sie gucken in die Taschen und Notizbücher, blättern im Zettelberg auf dem Schreibtisch und durchfingern die Schubfächer, manche sollen sogar an Taschentüchern und anderen Textilien schnuppern, ob da… Na gut, es ist ein Thema seit Adam und Eva. Die Ich-Erzählerin inszeniert eine Besonderheit des üblichen Rituals, täuscht Abwesenheit vor, versteckt sich im Schrank und macht lange Ohren. Der unbequeme Posten bereitet allerlei Pein, das geschieht ihr recht, und überdies sind die beiden Männer die großen Schweiger wie jedesmal. – Der Schluß ist eine Art Slapstick-Szene: eine gelassen arrogante, aber völlig legitime Pseudowahrnehmung des Ehemannes hinter (!) der Zeitung. So kennt man sich eben nach langen Ehejahren, oder eben auch nicht.
Ich will dir…
Wie geht der Satz in dieser Geschichte? – „Wie lange bleibt uns die Leidenschaft?“ – Er ist so mehrsinnig, es hängt nicht von uns allein ab, dieses wie lange und dieses Bleiben. Manchmal verschwindet etwas aus der Welt und wir spüren verzweifelt ein leises Aufsteigen von kühler werdenden Tagen. Wir können etwas dagegensetzen: so lange wir wollen, so lange wir es vermögen . …
„Ich will dir küssen, Heinrich…“ damit beginnt und endet diese Geschichte, zum Schluß wie zur Bekräftigung und Unumkehrung mit einem „Ja“ bestätigt. Der nicht so belesene Leser wird zwar gleich auf Heine verwiesen (ich hätte das später gemacht, um die aufstutzende Neugier zu schüren, immerhin scheint da einer ein grammatischer Fehlermacher zu sein), aber erst peu a peu kommt dessen Text ins Spiel, und man muß schon ein wenig suchen, um ihn bei Heine zu finden, denn so beginnt die fünfte von elf Strophen. …
Die Geschichte ist sozusagen plastisch, mir jedenfalls stiegen die Figuren sofort vor die Augen und das ganze lief wie ein Film ab: mit Corinna Harfouch, und Gwisdek als Professor, und Simone von Zglinicki als dessen Frau… – Nein, im Ernst: hier kontrastieren zwei Lebensrnöglichkeiten, von denen eine das Adorno-Wort bestätigt, daß es kein richtiges Leben im falschen gebe. Und da sind die Erzählerin und ihr „Heinrich“, Diplomandin des Professors war sie vor 24 Jahren, nun wird sie Mitte oder Ende vierzig sein, noch nicht „so lange verheiratet‘, und es gelingt immer und immer, daß beide „Lust aufeinander“ haben. Mich überkam, als ich das las, das pure Erinnerungsglück.
Für mich stimmt in dieser Geschichte alles: der witzig-frivo Ie Einfall, die Erzählerin unterm Mantel nackt sein zu lassen (also auch schutzlos? – ach, die ist so wunderbar ihrer selbst gewiß, daß da nicht viel passieren kann), diese Nacktheit ist ja das Ursprüngliche, Paradiesische, da haben die verkrusteten Schalentiere wie der Professor keine Chance: er ist aus dem Paradies nicht vertrieben, es ist ihm abhanden gekommen. Er hat im richtigen Leben falsch gelebt (des alten Fuchses Adorno dialektische Sätze kann man natürlich auch gegenläufig lesen).
Und diese kleinen Pupertätskatastropen, das neugierige Studium der Bücher, wo alles drin steht, mit Bildern, und diese selbst für einen ungewollten lesbischen Verdacht ganz und gar ungeeignete Weiterbildungskollegin, und dann – endlich und immer – raus aus dem Auto, die Treppe hinauf, den Mantel fort – das ist die Lösung: ein bißchen Paradies durch die Jahre retten, da bleibt man sich treu, das erhält jung, daran ist wirklich „nichts Falsches“!
Dr. Dieter B.